Alkohol vs. Cannabis – was ist schlimmer? | Amberg24

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Alkohol oder Cannabis - was ist schlechter für Körper und Psyche? (Symbolbild: Fabian Sommer)
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Alkohol oder Cannabis - was ist schlechter für Körper und Psyche? (Symbolbild: Fabian Sommer)

Alkohol vs. Cannabis – was ist schlimmer?

Wer Alkohol trinkt, wird aggressiv, übergibt sich und schadet seinem Körper. Wer Cannabis raucht, wird lethargisch, reagiert langsamer und schadet seiner Psyche. Das sind die Klischees. Aber wie viel Wahrheit steckt darin?

Die Diskussion ist alt und sie wird immer lauter: Was ist schlimmer, Alkohol oder Cannabis? Die einen übergeben sich hinterm Bierzelt, die anderen checken gar nichts mehr. Doch was steckt hinter den Klischees? Das sagen Experten der Suchtberatung, des Rettungsdienstes und der Polizei.

Körperliche Auswirkungen

Hier sind sich alle einig: „Beides führt bei übermäßigem Konsum in die Abhängigkeit und ist daher gesundheitsgefährdend”, drückt es Christian Putzer, der Leiter des Rettungsdienstes beim BRK Weiden und Neustadt/WN, aus.

Aber wie genau? Alkoholkonsum könne laut Lena Kaiser, Psychologin bei der Fachambulanz für Suchtprobleme in Amberg, zu Leberschäden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen, Cannabiskonsum wirke sich unter anderem auf die Lunge und die Hirnleistung aus. Putzer berichtet bei Cannabiskonsum außerdem von Kreislaufbeschwerden, Schwindelattacken und Blutdruckproblemen.

Nicht zu vergessen ist, dass sowohl Cannabis als auch Alkohol die Fahrtauglichkeit beeinflussen. „Letzterer ist eine der häufigsten Ursachen für Unfälle im Straßenverkehr”, so Kaiser. Und auch das Polizeipräsidium Oberpfalz warnt: „Wer unter Cannabiseinfluss fährt, setzt nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das anderer Verkehrsteilnehmer aufs Spiel.”

Psychische Auswirkungen

„Sowohl Alkohol als auch Cannabis können das Leben auf vielfältige Weise negativ beeinflussen, indem sie zu Konflikten in Beziehungen, beruflichen oder rechtlichen Problemen führen”, erklärt Kaiser. Dazu zählen Konzentrationsschwierigkeiten, Beeinträchtigung der Wahrnehmung und Urteilskraft sowie Reaktionsvermögen, was eben auch im Straßenverkehr gefährlich werden kann.

Bei intensivem Cannabiskonsum warnt die Fachambulanz vor allem vor Rückzugstendenzen. Das heißt: Betroffen sind die Aufgaben des Alltags, von Schule oder Beruf häufig einfach egal. Besonders kritisch sieht Kaiser, dass es sowohl harten Alkohol als auch Cannabis ab 18 gibt. „Die Gehirnentwicklung ist erst etwa mit dem 25 Lebensjahr abgeschlossen.” Bei regelmäßigem Cannabis-Konsum, je nach THC-Gehalt, steige laut einer Studie das Risiko, an einer Psychose zu erkranken, um das Drei- bis Fünffache. Auch Paranoia und das amotivationale Syndrom drohen. Das heißt: Die Merk- und Lernfähigkeit verändern sich und man kann sich zu nichts mehr motivieren.

Suchtpotenzial

Und dann gibt es ja auch noch das Risiko, abhängig von Alkohol beziehungsweise Cannabis zu werden. Wie schnell das geht, ist laut Fachambulanz sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab – wie viel und wie häufig man konsumiert, genetischen Vorbelastungen und dem persönlichen Umfeld, etwa. „Mediziner*innen schätzen das Abhängigkeitspotenzial beider Substanzen ähnlich ein”, sagt Kaiser. Aber: „Je früher Jugendliche anfangen, regelmäßig Alkohol zu konsumieren, desto früher wird es zur Gewohnheit. Dies kann eine spätere Alkoholabhängigkeit begünstigen.” Und in der Jugend könne er auch in kleinen Mengen erheblichen Schaden anrichten.

Gewaltpotenzial

Jetzt die große Frage: Macht Alkohol wirklich gewalttätiger als Cannabis? Putzer findet: „Das würde ich nicht pauschalisieren, da jeder anders darauf reagiert. Wobei Patienten unter Einfluss von Alkohol eher zu aggressiven Reaktionen neigen als Konsumierende unter Einfluss von Cannabis.” Auch Treffert bestätigt das. „Alkohol enthemmt und verringert die Risikoeinschätzung. Bei vielen Menschen wird auch das Aggressionspotential höher.” Allerdings relativiert er, der Zugang zu Alkohol sei wesentlich leichter als der zu Cannabis. Mehr Menschen trinken Alkohol, dadurch ist diese Gruppe in Studien und Kriminalstatistiken repräsentativer als die Cannabis-Konsumenten.

Sind Kiffer jetzt wirklich so friedliche Menschen? „Viele Menschen verbinden mit Cannabis noch immer Hippietum und eine friedvolle Flower-Power-Bewegung”, so Treffert. Das komme davon, dass man mit Cannabis Passivität verbindet. Die Studienlage der letzten Jahre zeige allerdings, dass der Konsum von Cannabis durchaus aggressives Verhalten fördern könne. „Untersuchungen zeigten auch, dass die häusliche – physische und psychische – Gewalt in Haushalten, in denen regelmäßig Cannabis konsumiert wird, steigt.” Das gelte besonders, wenn beide Partner*innen konsumieren. Allerdings spielen hier laut Suchtberatung mehrere Faktoren eine Rolle, wenn es zu Gewalt komme.

Schwarzmarkt

Während Alkohol fast überall und schon seit langem erhältlich ist, gab es für Cannabis bisher einen florierenden Schwarzmarkt. Die Legalisierung sollte diesen austrocknen. Die Polizei erwartet allerdings kein Sterben des Schwarzmarktes. „Viel wahrscheinlicher ist eine wirtschaftliche Koexistenz zwischen legalen Anbauvereinigungen und illegalem Schwarzmarkt.” Der Schwarzmarkt habe sogar einen Vorteil, weil er nicht unter den strengen Regeln und Kontrollen steht wie die legalen Anbaumethoden.

Das befürchtet auch Treffert. Er warnt davor, dass auf dem Schwarzmarkt auch mit Cannabinoiden gestrecktes Gras angeboten. Cannabinoide sind künstlich hergestellte Substanzen, die ähnlich wirken wie Cannabis und wie THC auf das Endocannabinoid-System Einfluss nehmen. Der Konsum dieser Produkte könne schwerste Folgen haben. „Unter anderem sind auch Todesfälle im Zusammenhang mit Synthetischem Cannabis verzeichnet”, erklärt der Sozialpädagoge.

Fazit

Klar ist: Polizei und Rettungsdienst haben zu Alkohol mehr Erfahrungswerte und können seine Auswirkungen leichter einschätzen. Wirklich gut für Körper und Psyche sind weder Alkohol noch Cannabis, das macht Treffert noch einmal klar. „Wenn wir über Konsum sprechen – besonders im Bereich der weichen Drogen Alkohol und Cannabis – fällt es mir eher schwer, tatsächlich von Besser oder Schlechter zu sprechen.”

Bei beiden Stoffen gilt, dass es keinen risikoarmen Konsum gibt. Beides macht abhängig und schadet. Deshalb sollten beide Drogen – auch Alkohol ist eine Droge, betont Treffert – unregelmäßig und in kleinen Mengen konsumiert werden. Sonst drohen eine Abhängigkeit und schwere körperliche, psychische und soziale Schäden. Dann fügt er noch an: Wenn es in der Familie Psychosen oder andere schwere psychische Erkrankungen gibt – lieber Finger weg vom Gras.

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